Hochwasser im Sommer 1897 im Erzgebirge

 

Im Sommer 1897 überschwemmten ungewöhnlich hohe Niederschläge weite Bereiche des Erzgebirges. Die Freiberger Mulde, die beiden Strigis, Zschopau mit der Flöha und die Zwickauer Mulde führten Wassermassen, wie man sie vordem nicht kannte. Am 28. und 29. Juli 1897 hatte es ununterbrochen geregnet, am Freitag, dem 30. Juli war es, als habe der Himmel seine Schleusen geöffnet. Vom Regen vollgesogen, nahm der Boden keine Feuchtigkeit mehr auf. Selbst der Wald, als zuverlässiger Wasserspeicher sonst wie ein Schwamm, hielt kein Wasser mehr zurück. Der Wasserstrom, von mitgerissenen Bodenteilchen zu brauner Brühe geworden, schoss in tiefen Rinnsalen über Felder und Fluren in die Talsenkungen und verwandelte nach kurzer Zeit Bäche zu reißenden Strömen.

In den Bächen am Oberlauf der Freiberger Mulde bei Rechenberg und Bienenmühle war das Wasser vormittags binnen einer halben Stunde um einen Meter gestiegen. Die vorbeischießende Flut schwemmte ausgerissene Bäume und Zaunteile an, lagerte Steine und Geröll ab, verstopfte an Engstellen den Weiterfluss und bildete stellenweise Seen. Bachnahe Bewohner, zunächst noch staunend über die Wassermassen, übermannte bald die Angst. Sie griffen in aller Eile ein paar notwendige Habseligkeiten. um sie in Sicherheit zu bringen. Viele waren so überrascht, dass sie nur das nackte Leben retten konnten.

In Bienenmühle spülte das Wasser die Muldenbrücke fort und beschädigte ein Haus so, dass es drohte einzustürzen.

In Mulda konnten die Kinder nachmittags nicht mehr zur Schule. Die Bauern brachten ihr Vieh in höhere Lagen. Bewohner, die beharrlich in ihren Wohnun
gen blieben, mussten durch die Feuerwehr gewaltsam geborgen werden. Andere verbrachten in ihrem vermeintlich feststehenden Haus in Angst und Schrecken die folgende Nacht. Aus Freiberg herbeigerufenes Militär, ein Offizier und 45 Mann vom Jägerbataillon trafen noch vor Mittemacht ein. Die Soldaten halfen Leben und Eigentum der Bewohner zu sichern, wo sie nur konnten.

Der nächste Morgen offenbarte die zerstörerische Kraft des Wassers. Brücken, die als fest galten, waren zerstört oder weggerissen, Gebäude demoliert, das Haus des Stuhlbauers Philipp war dem Einsturz nahe.

Durch das Wasser war dem Sägewerk der Lichtenberger Hornmühle eine Rolle Baumstämme außer Kontrolle geraten und 150 Meter weit fortgeführt worden, die in der Talenge nun einen Verhau und See bildeten. Bis zu acht Meter hohe Bretterstöße stürzte das Wasser ein. Die Bretter schwammen, sich selbst drehend davon und verfingen sich schließlich im Verhau der angestauten Baumstämme.

Indessen waren drei Brücken und ein Steg im Nu verschwunden, Das ganze Tal glich einem 20 Meter breiten Strom. Viele Familien, obdachlos geworden, verbrachten die Nacht in Notlagern und Scheunen bei ihrem geretteten Vieh.
 
In Weißenborn konnte die 1889 errichtete Schutzvorrichtung den Wassermassen nicht widerstehen. Das Wasser fegte durch die Anlagen der Papierfabrik, drückte die Fensterscheiben ein und überschwemmte und verwüstete die Produktionshallen. Gestapeltes Rohmaterial wie Klötzer, Balken, Bretter und Papierrollen, führte das Wasser davon.

Auch Menschen gerieten in Not.
Durch einen Vorarbeiter konnten fünf Personen vor dem Ertrinken gerettet werden.

In Halsbrücke drängten die rechtsseitigen hohen Felsen die Wassermassen immer mehr in den Ort und machten ihn zu einer Seenlandschaft. Das Wasser stieg bis zu drei Meter hoch. Als Feuerwehrleute in Ermangelung eines Kahnes aus Brettern und Bohlen notdürftig ein Floß gezimmert hatten und damit rettend helfen wollten, kippte es um, und beinahe wären die Floßfahrer in den Fluten ertrunken.

Alte Grubenbaue füllten sich in Tuttendorf voll Wasser und verursachten Erdsenkungen. Weil sich das Haus des Goldscheiders Lippmann senkte, mussten es die Bewohner verlassen. Selbst Gebäude, die zum Amalgamierwerk gehörten, begannen sich zu senken.

Auch in Rothenfurth, Großschirma und Kleinvoigtsberg mussten die Bewohner fluchtartig ihre Behausungen verlassen, um das nackte Leben zu retten. Als das Wasser zurückging, wurden die gewaltigen Schäden sichtbar, die es verursacht hatte.

Als Resümee des großen Unwetters heißt es in einer zeitgenössischen Schrift des Volksschriftenverlages: "Aber wir wollen nicht nur die große Trübsal schildern, sondern auch die Hilfe rühmen, die von der Nächstenliebe gebracht worden ist..."

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